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Montag, 19. September 2011

von Vilnius nach Minsk

Um 6 Uhr 15 ist die Nacht für uns vorbei.
Eine halbe Stunde später starten wir aus dem noch ziemlich verschlafenen Vilnius nach Osten in Richtung Grenze.
Etwa zehn Kilometer davor hat sich mitten auf freier Strecke ein kleiner Stau gebildet. Der Grund ist schnell erkennbar, zwei Pkw sind ziemlich heftig frontal ineinander geknallt, kein schöner Anblick, und schon gar nicht auf nüchternen Magen.
Kurz darauf sind wir am litauischen Grenzposten.
Passkontrolle.
Zielsicher greife ich in die Brusttasche meiner Motorradjacke.

Vilnius

In dem Augenblick werden meine Knie fast zu weich um das Moped gerade zu halten und mein Gesicht nimmt in etwa die Farbe des frisch getünchten Grenzerhäuschens an: Meine Dokumenten- mappe ist weg!!! Begleitet von nicht druckreifen Äußerungen suche ich die diversen Möglichkeiten ab, wo sie eventuell noch sein könnte. Nichts, verdammter Mist!
Einziger Hoffnungsschimmer bleibt, dass sie eventuell noch im Hotelzimmer liegt. Also die 30 Kilometer zurück.
An dem mittlerweile schon beträchtlichen Unfallstau können wir uns gerade noch so vorbei mogeln.


Mit flauem Gefühl im Magen betrete ich nochmals unser Zimmer im Hostel. Der Freudenschrei, den ich hätte ausrufen können, hätte sicher die restlichen Gäste aus dem Schlaf gerissen; das Ding liegt brettelbreit auf dem Bett.
Gedankliche Rekonstruktion dieses „Fauxpas“: Beim Einstecken muß die Mappe statt in die Brusttasche ins darunter liegende Innenfutter gelangt sein und ist dann beim Aufnehmen der Jacke vom Bett nach unten herausgerutscht.
Große Freude allerseits, bei mir über meinen Fund und bei Christian über sein Freibier heute Abend.


Wegen einer wahrscheinlich zu erwartenden Vollsperrung der Strecke, umfahren wir auf kleinen Sträßchen den Unfallort.
Erneuter Anlauf an der Grenze. Nach kurzem Blick in die Pässe auf litauischer Seite werden wir weitergewunken.
Zwei Minuten später sind wir an der belarussischen Vorkontrolle. Bis hierher geht alles sehr flott.
Hundert Meter weiter beginnt der Papierkrieg. Immigrationskarte für die Personen und Zollerklärung für die Fahrzeuge müssen hier ausgefüllt und eine Gebühr von ca. 70 Cent pro Nase für „was auch immer“ entrichtet werden.

on the (dirt) road

on the (dirt) road

Das Mädel hinter dem  Schalter hat etwas Probleme mit der Erfassung unserer Fahrzeugpapiere und ruft deshalb eine sehr gut deutsch sprechende Kollegin zur Hilfe. Mit ihrer freundlichen Unterstützung bringen wir den ersten formellen Teil der Abfertigung problemlos hinter uns. Swetlana, so hat sich die nette junge Frau uns vorgestellt, bietet uns an, gern weiterhin behilflich zu sein, falls noch Fragen auftauchen sollten. Da diese schon vorprogrammiert sind, bittet Christian sie, uns doch gleich mit auf dem weiteren Abfertigungsweg zu begleiten, wozu sie sich auch sofort bereit erklärt.


Eine temporäre Krankenversicherung für drei Dollar pro Person ist hier abzuschließen und diverse „Stempelmeister“ müssen die einzelnen noch zu durchlaufenden Schritte kontrollieren und bestätigen, wobei die Reihenfolge der jeweiligen Instanzen keineswegs irgendwie logisch zu erkennen ist. Sogar Swetlana muß sich durchfragen. Nach mehrmaligem Hin- und Herlaufen zwischen den einzelnen Häuschen und einem sehr oberflächlichen Blick in unsere Koffer werden wir nach nur eineinhalb Stunden Abfertigungszeit entlassen.
Ohne professionelle Unterstützung hätte das mit Sicherheit wesentlich länger gedauert.
Obwohl alles dort sehr persönlich und zuvorkommend ablief, wird uns dennoch ein gemeinsames Foto, selbst vor neutralem Hinter- grund, nicht gestattet.

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Vorschrift ist Vorschrift!
Für die überaus nette und freundliche Hilfe hier nochmals von Christian und mir:
большо́е спаси́бо, Светлана!


Kurz nach der Grenze „Snickers“-Pause als Frühstücksersatz in einem kleinen Dorf.
Belarus überrascht uns gleich zu Beginn positiv. Zum Ersten der freundliche Kontakt mit den Leuten der Grenzbehörde und zum Zweiten der gepflegte Eindruck des Landes. Gute Straßen, alles sauber und adrett, keine verkommenen Häuser oder sonstiger „Verhau“ sind zu sehen. Der große Bruder Russland sollte sich hier mal ein Beispiel nehmen.
Über Nebenstraßen, teils auf Schotter, ziehen wir weiter. Viele kleine Dörfer, einige Seen und Waldgebiete säumen den Weg durchs weitläufige Flachland.

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Im nächsten größeren Ort halten wir an einem kleinen Laden mit angegliedertem Cafe.
Das an der Grenze erhaltene Wechselgeld in Landeswährung (umgerechnet ca. 90 Cent) reicht hier für zwei Kaffee und zwei Mini-Pizzen.
Ein kleiner „Smalltalk“ mit zwei Jungs entsteht, die uns beim Verzehr unserer kleinen Mahlzeit mit ihren Bierflaschen auf dem Vorplatz zuprosten.
Mit internationaler „Hand-und-Fuß-Sprache“ klappt das auch ohne Russischkenntnisse einigermaßen.

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In einer größeren Stadt, ca. 70 km nordöstlich von Minsk, versuche ich noch vor Geschäftsschluss der Banken an lokales Bargeld zu kommen. Nach einer halben Stunde Anstehen am Kassenschalter gebe ich leicht entnervt auf. Anhand der vor mir wartenden Personen und der durchschnittlichen einzelnen Abfertigungszeit wird das heute wahrscheinlich nichts mehr.

Bleibt nur noch die teurere Variante per Geldautomat. Teuer deshalb, da man beim  Bargeldtausch zurzeit 10800 Rubel für einen Euro erhält, bei Automatenauszahlung allerdings nur 7380, den offiziellen Wechselkurs der stark inflationären Währung.
Bargeld in Devisen scheint hierzulande sogar für die Banken interessant zu sein.


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Um zumindest für das anstehende Tanken liquide zu sein, entlocke ich dem Geldschein-Roboter vor der Bank per EC-Karte 400.000 Belarus-Rubel. Knapp 59 Euro incl. der Gebühren will meine heimische Bank dann später dafür haben, beim Umtausch in bar hätte

mich das Gleiche nur 37 Euro gekostet.
Für die Hälfte dieses Betrags erhalten wir dann aber ca. 40 Liter Superbenzin (4950 pro Liter). Verglichen  mit dem, was die Brühe bei uns kostet, ist der schlechte Wechselkurs somit leichter verschmerzbar.


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Um zu unserem, im Südwesten von Minsk liegenden Hotel zu gelangen, müssen wir quer durch die Stadt. Der positive Eindruck von Belarus bestätigt sich auch bei unserer kleinen Besichtigungsrunde durch das gepflegt erschei- nende Bild der Hauptstadt. Was mir vor allem am meisten auffällt, oder besser gesagt nicht, ist Polizeipräsenz. In allen anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks sieht man fast an jeder Hausecke einen uniformierten Staatswächter, hier ist so gut wie keiner zu sehen, bzw. nicht erkennbar. Die für die hierzulande herrschende Regierungsform erforderliche Überwachung spielt sich mit Sicherheit verdeckt ab.


An einem McDonalds machen wir halt. Nicht weil wir diese Art Junk-Food-Läden besonders schätzen, sondern wegen der beiden Typen, die mit ihren Motorrädern davor parken.
Die „Kollegen“ wollen wir nach dem Weg zu unserem Hotel fragen.
Max mit einer von ihm selbst toprestaurierten 73er Dnjepr und „Bandit“, der seinen Spitznamen von dem gleichnamigen Suzukimodell hat, das er fährt, sind den Aufnähern ihrer Jacken nach Mitglieder eines Minsker Motorradclubs. Dieser bestehe aus der sagenhaften Zahl von sieben Personen, wie wir im Gespräch mit ihnen erfahren.

Minsk

Als wir uns sehr anerkennend über ihr Land äußern, meinen sie dazu, daß sie es auch sehr schön fänden, allerdings gäbe es hier zur entsprechenden Lebensqualität nur ein größeres Problem, und das hat einen mit „L“ beginnenden Namen.
Wie wir auch an vielen anderen Stellen erfahren scheint dieser „Herr“ bei seinen „Untertanen“, um es gelinde auszudrücken, nicht sonderlich geschätzt zu werden.
Dank der guten Wegbeschreibung der Jungs finden wir problemlos zu unserer vorgebuchten Herberge, dem Hotel „IBB Johannes Rau“.

Minsk

Minsk

Nett und professionell werden wir dort von der deutsch sprechenden Rezeptionistin Tatjana betreut.
Von ihr bekommen wir auch einen Tip für ein Lokal in der Innenstadt und desweiteren die von meiner Kirgisienreise noch übrigen russischen Rubel zu einem guten Kurs in Landeswährung gewechselt.
In „Zivil“ und frisch geduscht sitzen wir kurz darauf im Taxi.
Umgerechnet nur ca. Euro 2,50 kostet uns die rund viertelstündige Fahrt zum empfohlenen Lokal im Zentrum.


Das auf zwei Etagen aufgeteilte Restaurant ist gut besucht, trotz des, für hiesige Verhältnisse, ziemlich hohen Preisniveaus.
Das leckere Essen und die kühlen Bierchen sind aber jeden einzelnen der dafür aufgewendeten bela-russischen Rubel wert.
Etwas lästig sind nur die herumziehenden Stehgeiger, die den Gästen, ob sie nun wollen oder nicht, um die Ohren fiedeln.
Da wir, wenn sie in unsere Nähe kommen, mal ausnahmsweise kein freundliches Gesicht machen, lassen sie uns in Ruhe.

Anschließend ziehen wir noch eine ausgedehnte Runde durch die Innenstadt.
Nicht viel los auf den Straßen für eine Metropole dieser Größenordnung, finden wir.
Auch irgendwelche Kneipen für einen spät- abendlichen Absacker sind keine zu sehen.
So bleibt uns letztendlich nur die hoteleigene Bar um diesen nachzuholen.

Minsk
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